Meine ersten Monate im Kreisarchiv

Ein Aufgabenbereich in meinem FSJ Kultur bei der Stiftung Nordfriesland ist das Kreisarchiv Nordfriesland. Hier arbeite ich einen Tag in der Woche, genauer gesagt am Mittwoch.

Allgemeine Aufgaben

Meine Hauptaufgabe im Archiv ist es, bei der Umbettung und Verzeichnung von Dokumenten zu unterstützen. Nach einer Abgabe von Dokumenten werden diese zunächst im Quarantäneraum gelagert und ggf. tiefgefroren, damit die Papierfischchen absterben. Danach müssen sie umgebettet werden, damit sie richtig verpackt im Archiv eingelagert werden können. Dafür entferne ich alles Metall, wie z.B. Büroklammern, aber auch Gummis oder Klarsichthüllen, und entferne Schmutz von den Materialien. Anschließend hefte ich die Unterlagen in speziellen Bügelheftern ab und lege sie in Schutzumschläge, die wiederum in speziellen Archivkartons verwahrt werden.

Schließlich verzeichne ich als Teil der Erschließung die Abgaben dann noch in unserem System Augias-Archiv 9.2. Dabei werden die Informationen, die in den einzelnen Archivgütern stecken, aufbereitet und zugänglich gemacht.

Daneben darf ich manchmal Recherchearbeit leisten, wenn Anfragen an das Archiv kommen. Viele suchen Sterbe- und Geburtsurkunden, aber manche suchen auch themenbezogen. Ich darf dann in unserem System recherchieren und die jeweiligen Archivalien raussuchen, was Spaß macht. Abgesehen davon darf ich auch Akten aus der Zeit des Nationalsozialismus durchgehen und dabei darauf achten, welche Dokumente für Forschungszwecke relevant sein könnten. Diese Aufgabe birgt eine große Verantwortung und aufgrund meines FSJ-Projektes, das ich im Bereich der Gedenkstätte organisiere, passt diese Tätigkeit auch zu meinem restlichen Aufgabenfeld.

Da im Archiv nun ein neues Hygienekonzept entwickelt wurde, gehört es ab jetzt auch zu meinen Aufgaben, ab und zu die Magazinräume zu saugen. Aber zum Glück nur alle 8 Wochen, das kriege ich noch hin. 😉 Ich muss ja schon in meiner WG jede Woche putzen.

Grundsätzlich finden im Archiv auch ab und zu Führungen statt, jedoch habe ich bis jetzt noch keine begleitet, da ich immer anderweitig eingesetzt war. Aber im März findet eine Führung statt, an der ich vielleicht teilnehmen werde.

An den Besuchstagen kommen Menschen, die gerne im Archiv recherchieren möchten. Da mein Einsatztag im Archiv allerdings kein Besuchstag ist, habe ich diesen Teil der Archivarbeit bis jetzt leider noch nicht mitbekommen.

Die Arbeit im Archiv finde ich grundsätzlich spannend, allerdings ist der Prozess der Bestanderhaltung etwas eintönig, weil ich dann immer wieder den gleichen Handgriff tätige. Außerdem ist es immer recht still im Archiv, was für mich manchmal etwas schwierig ist, da ich lieber mit Menschen im Austausch stehe und mit ihnen gemeinsam arbeite.

Interessanter finde ich jedoch die Verzeichnung, weil ich da oft die Abgaben durchgehe, um zu verzeichnen, was jeweils in dem Archivgut enthalten ist. Das ist teilweise ziemlich spannend, weil ich mich dann in einzelnen Themen verlieren kann, z.B. gab es einmal eine Abgabe zur Havarie des Frachters „Pallas“. Dabei konnte ich dann Lagepläne einsehen und Lageskizzen, was faszinierend für mich war. Auch die Recherchearbeit bereitet mir Freude.

Die Lagerhalle im Archiv
Mein Fahrrad im Büro, weil die Garage repariert wurde

Fachtagungen

Neben dem Alltag im Archiv darf ich regelmäßig an Fachtagungen teilnehmen und so außerhalb des Archives Erfahrungen sammeln. An diesen Tagungen gefällt mir im Allgemeinen, dass ich da mit vielen Menschen im Austausch stehe und fernab vom Alltag im Archiv viele Dinge dazulerne, die noch einmal übergreifender für Archive gelten und nicht auf unser Archiv beschränkt sind.

So konnte ich beispielweise gleich zu Anfang meines FSJs an einer Fachtagung zum Thema „Digitale Datenräume und Archive: Brückenschlag zwischen Vergangenheit und Zukunft“ in Kiel teilnehmen. Anfangs war es etwas erschlagend, weil es so viel Input war, und ich weder im Thema Datenschutz noch im Thema Archiv nach einer Woche Arbeit fit war. Während der gesamten Veranstaltung war ich auch noch dafür verantwortlich, Fotos zu machen, was dann noch einmal mehr zu den vielfältigen Eindrücken dazukam. Ich fand die Tagung aber ziemlich spannend, vor allem habe ich viel über das Archivrecht gelernt und zum Thema Datenschutz. So müssen beispielsweise Personalakten Archiven immer angeboten werden und dürfen nicht einfach vernichtet werden, auch wenn diese sensible Daten enthalten.

Ansonsten habe ich auch noch an der Auftaktveranstaltung „Archive beiderseits der Grenzen“ teilgenommen. Dieses Projekt ist eine deutsch-dänische Kooperation und soll die Zusammenarbeit der Grenzregion Sønderjylland-Schleswig stärken, um mehr über die gemeinsame Vergangenheit herauszufinden. Dafür werden verschiedene Veranstaltungen angeboten, die Bürger*innen das Archivwesen näherbringen sollen. Die Auftaktveranstaltung war sehr schön, sie fand in Haderslev im Museum Sønderjylland Ehlers Lertøjssamling statt. Das Museum ist in einem super schönen Gebäude untergebracht und wir durften uns dieses sogar noch mit einer Führung anschauen.

Im Rahmen dieses Projektes habe ich dieses Jahr auch an einem Vortrag und Workshop zum Thema „Wie (teil-)automatisierte Handschriftenerkennung unseren Zugang zu Quellen verändern kann“ teilgenommen. Wir haben uns mit dem Programm Transkribus befasst, welches schon jetzt alte Schriften teilweise transkribieren kann. Es war interessant, zu sehen, wie die KI die Zeilen transkribieren konnte, die ich teilweise gar nicht lesen kann. Natürlich passieren immer noch viele Fehler, aber ich denke, dass KI auch im Archivwesen eine gute Unterstützung bietet, v.a. in Bezug auf schwer leserliche Handschriften.  

Spannend fand ich auch ein Treffen der Ausbildungsarchive. Dabei ging es darum, wie man junge Menschen motivieren kann, ins Archivwesen einzusteigen. Auch das Thema FSJ spielte dabei eine Rolle, da viele Archive überlegen, ebenfalls FSJ-Stellen anzubieten, um so jungen Menschen die Möglichkeit zu bieten, in die Arbeit hineinzuschnuppern.

Das Museum Sønderjylland Ehlers Lertøjssamling
Das Innere des Museums Sønderjylland Ehlers Lertøjssamling
Das Buffet im Museum Sønderjylland Ehlers Lertøjssamling
Bei der Fachtagung in Kiel
Der Flyer der Tagung in Kiel

Sonstige Projekte

Im Rahmen meines FSJ-Projektes (näheres dazu in meinem Beitrag über meine Arbeit in der Gedenkstätte) habe ich im Archiv die Sterbeurkunden der 297 im KZ Husum-Schwesing umgekommenen Menschen recherchiert, um diese in meinem digitalen Rundgang einzubinden. Dabei bin ich die Sterbebücher der Gemeinde Schwesing, in dessen Bereich das KZ damals lag, durchgegangen und habe mir jede Sterbeurkunde angeschaut, um zu überprüfen, ob diese Person im KZ Husum-Schwesing umgekommen ist. Darüber hinaus habe ich mich mit der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, der KZ-Gedenkstätte Ladelund und der Stadt Wolfsburg in Verbindung gesetzt, da diese ebenfalls Sterbeurkunden von einigen umgekommenen Häftlingen verwahren. Ich finde es sehr eindrucksvoll, mit unterschiedlichen Archiven zusammenzuarbeiten und mir wurde stets äußerst freundlich weitergeholfen.

Aktuell stehe ich auch in Verbindung mit den Nationalarchiven von Polen, Belgien, Dänemark, Italien, Frankreich und den Niederlanden. In der Totenliste der Gedenkstätte Husum-Schwesing sind nämlich einige Namen anders geschrieben als in den Sterbeurkunden. Die Frage ist nun, welche der Schreibweisen korrekt ist, denn es kann sein, dass die Namen in der Sterbeurkunde durch oft mündliche Weitergabe falsch verstanden oder „eingedeutscht“ wurden, wodurch die Sterbeurkunden ebenfalls fehlerhaft sein können. Allerdings wissen wir auch nicht, auf welcher Grundlage die Schreibweise der Namen in unserer Totenliste zustande gekommen ist, weshalb man auf diese ebenfalls nicht vertrauen kann. Daher suche ich jetzt gemeinsam mit den oben genannten Archiven nach den Geburtsurkunden der betreffenden Personen. Diese sollten dementsprechend korrekt sein, da sie im Beisein der Angehörigen und im jeweiligen Land ausgestellt wurden.

Obwohl die Suche nach den Sterbe- sowie Geburtsurkunden teilweise sehr kleinteilig und langatmig ist, macht mir die Recherche extrem viel Spaß. Ich mag es, mich so in der Recherche zu verlieren, dass die Zeit ganz schnell vergeht. Außerdem kann ich auch schon Ergebnisse vorweisen, da ich nun alle Sterbeurkunden der 297 umgekommenen Häftlinge aufgefunden sowie gebündelt habe. Zudem konnte ich noch Informationen in der Totenliste ergänzen, etwa Berufe oder Todesursachen (dabei muss man aber immer vorsichtig sein, da die Nationalsozialisten oft einen Scheingrund als Todesursache angegeben haben, nicht etwa die unmenschlichen Arbeitsbedingungen und Misshandlungen). Auch einen Fehler im Totenbuch von Neuengamme konnte ich ausfindig machen, wodurch ich einen aktiven Beitrag zum öffentlichen Wissensstand geleistet habe, was ich cool finde.

Insgesamt macht mir die Arbeit im Archiv also Spaß, insbesondere die Arbeit an meinem eigenen Projekt. Wenn ich selbst recherchieren kann, dann fühle ich mich wie eine Wissenschaftlerin und es ist schön, konkrete Ergebnisse der ganzen Mühe zu erhalten. Vielleicht werde ich ja doch Historikerin als Plan B. 😉 Die Bestandserhaltung ist nicht ganz so mein Bereich, aber ich finde es dennoch interessant, zu sehen, wie die Abgaben vorbereitet werden, bevor man sie überhaupt im Archiv einlagern kann.