Meine ersten Monate im Kulturmanagement

Einer meiner drei Bereiche, in denen ich arbeite, ist das Kulturmanagement. Die Stiftung Nordfriesland hat die Aufgabe, die Kultur und Erwachsenenbildung im Kreisgebiet zu fördern und zu pflegen. Da ich privat sehr gerne kulturelle Angebote, wie etwa Museen und Konzerte, nutze, freue ich mich sehr, nun auf der anbietenden Seite zu stehen und so einen ganz anderen Einblick in die Welt der Kultur zu erlangen. An zwei Tagen in der Woche, Montag und Freitag, bin ich für die Kulturarbeit eingeteilt.

Mein Arbeitsplatz

Der Nordfrieslandkalender

Eine meiner Hauptaufgaben im Kulturmanagement ist die Pflege des Nordfrieslandkalenders. Dies ist ein Veranstaltungskalender, der Events von verschiedenen Organisationen im Kreis Nordfriesland bündelt und öffentlich zugänglich macht. Der Kalender ist sowohl als Homepage als auch als App verfügbar.

Ich finde die Idee hinter dem Kalender richtig gut, weil man so einen guten Überblick über die einzelnen Veranstaltungen im Umkreis erhält. Da die Angebote nach einzelnen Kategorien, z.B. Kreativ, Wissen, Gesundheit oder Kino, sortiert sind, kann man schnell und einfach ein Event finden, was zu den aktuellen Bedürfnissen passt. Ich nutze den Kalender selbst oft, um Ideen für Unternehmungen am Wochenende zu bekommen, da ich ansonsten viele coole Angebote gar nicht mitbekommen würde.

Beim Nordfrieslandkalender ist es meine Aufgabe, neue Veranstaltungen einzutragen und Veranstaltungen, die von externen Benutzenden eingestellt werden, freizuschalten. Obwohl diese Tätigkeit bisweilen etwas monoton sein kann, finde ich es trotzdem spannend, was es alles für Angebote gibt, von Strandreinigungen über Ausstellungseröffnungen bis hin zu Malkursen ist für alle etwas dabei. Wir haben regelmäßig Redaktionssitzungen mit der Nordsee-Akademie in Leck, da diese ebenfalls an dem Kalender mitarbeiten.

Darüber hinaus entwickele ich mit einer Kollegin zusammen eine Marketingstrategie, wie wir den Nordfrieslandkalender besser bewerben können. Denn obwohl er so ein nützliches Tool ist, lässt sich die Nutzungsrate noch deutlich erhöhen. Dafür habe ich mir verschiedene Möglichkeiten ausgedacht, wie man effizientes Marketing betreiben kann. Im Raum stehen beispielweise das Bedrucken von Jutebeuteln und Stiften, wofür ich Angebote von Firmen eingeholt habe und ein erstes Design bei Canva entworfen habe. Auch Buswerbung oder Werbung in Podcasts wollen wir vielleicht umsetzen, sofern wir genügend finanzielle Ressourcen zur Verfügung gestellt bekommen.

Außerdem ist in Planung, Schnittstellen zu den Volkshochschulen in Nordfriesland herzustellen, damit deren Veranstaltungen automatisch in unserem Kalender landen.

Hier könnt ihr euch den Kalender gerne einmal anschauen, vielleicht kommt ihr demnächst ja mal nach Nordfriesland: https://www.nordfrieslandkalender.de/

Mein Schreibtisch am ersten Tag
Mit Canva versuche ich, ein Design für das Marketing zu erstellen

Veranstaltungen

Neben dem Nordfrieslandkalender steht auch das Planen von Veranstaltungen im Fokus. Ich habe bis jetzt an drei Veranstaltungen mitgewirkt, was eine ganz neue Erfahrung war. Ich hätte vorher nie gedacht, wie viel Planung und Vorbereitung in nur einem Tag oder gar Abend steckt.

Der Blick aus meinem Büro, als es geschneit hat

„Toms fantastische Reise“

Bei der ersten Veranstaltung fand eine Theateraufführung von Kindern im Rahmen eines deutsch-dänischen Projektes statt. Die Aufführung hieß „Toms fantastische Reise“ und behandelte im Wesentlichen eine fiktive Reise von Astronaut*innen ins Weltall, wo diese dem Publikum dann die Planeten erklärten, untermalt von selbst komponierter Musik.

Da diese Veranstaltung relativ am Anfang meines Freiwilligendienstes erfolgte, war ich in der Planung noch nicht involviert. Stattdessen habe ich am Veranstaltungstag die Kinder vor ihrem Auftritt betreut, die verständlicherweise aufgrund ihres bevorstehenden Auftrittes voller Adrenalin steckten. Ich arbeite gerne mit Kindern und Jugendlichen, weshalb ich es schön fand, sie bei ihrem Auftritt zu begleiten. Sie haben sich alle so gefreut nach ihrem Auftritt und da habe ich mich gleich mitgefreut.

Neben der Kinderbetreuung habe ich auch noch beim Auf- sowie Abbau geholfen, zum Beispiel beim Stühle tragen und Flyer verteilen.

Der Flyer zu „Toms fantastischer Reise“

Hans-Momsen-Preisverleihung

Die zweite Veranstaltung war die Verleihung des Hans-Momsen-Preises. Diesen Preis erhalten Menschen, die besondere Verdienste in Bezug auf das kulturelle Leben in Nordfriesland erworben haben.

Wir haben schon Wochen im Voraus die Einladungen verpackt und die Adresszettel aufgeklebt, damit alle Gäste pünktlich ihre Einladungen erhalten. Ich habe mir vorher nie Gedanken darübergemacht, dass alle offiziellen Einladungen, die man so im Laufe seines Lebens bekommt, zuvor von Personen gefaltet und verpackt werden müssen. Jetzt, wo ich diesen Job selbst gemacht habe, schätze ich dies viel mehr. Jetzt weiß ich, wie man am effizientesten faltet, verpackt und klebt. Es war zwar nicht anstrengend, aber kognitiv eher ermüdend, immer wieder den gleichen Handgriff zu erledigen. Dabei hatte ich auch noch kontinuierlich Angst, dass ich die Adressaufkleber schief aufklebe und die ganzen wichtigen Gäste mürrisch ihre Briefe aufmachen und enttäuscht auf die schief zusammengefalteten Briefe schauen. Da sich aber bis jetzt niemand beschwert hat, hoffe ich, dass meine Faltkünste nicht negativ aufgefallen sind.

Am Veranstaltungstag haben wir ganz viel rumgeräumt und vorbereitet, schließlich brauchten alle Gäste das Programm auf dem Platz und der Sektempfang musste vorbereitet werden. Leider kann ich immer noch keine Sektflaschen öffnen, das musste eine Kollegin von mir übernehmen. Auch mussten wir einige Gläser noch polieren.

Die Preisverleihung war eine feierliche Veranstaltung und dementsprechend waren wir auch gekleidet (der Hausmeister meinte zu mir, mein Kleid sei sehr kleidsam). Die Veranstaltung selbst war sehr aufregend, weil viele Reden gehalten wurden und die beiden Preisträger auch erläuterten, wieso sie den Preis erhalten haben.  Ich war dafür verantwortlich, Fotos zu machen, was sich aufgrund der abgedunkelten Lichtverhältnisse etwas schwierig gestaltete. Der Sektempfang nach der Veranstaltung war dann sehr wuselig, weil auf einmal alle Menschen gleichzeitig etwas trinken wollten, und ich gedanklich koordinieren musste, in welchem Glas Orangensaft Pur und in welchem mit Sekt gemischt war, damit ich keiner Auto fahrenden Person Alkohol andrehte.

Der Abend verlief jedoch insgesamt richtig gut und es war für mich das erste Mal, bei so einer feierlichen Veranstaltung bei der Organisation dabei zu sein und diese durchzuführen, anstatt sie zu besuchen. Als Gast habe ich von dem ganzen Stress, der vor und während der Veranstaltung herrscht, gar nichts mitbekommen, aber es war für mich eine tolle Erfahrung, Teil der Organisation sein zu können. Einer der Preisträger war auch so begeistert, dass er uns am nächsten Tag Torten vorbeigebracht hat und wir dann alle zusammen Kuchen gegessen haben. Es ist ein schönes Gefühl, zu wissen, dass man anderen Menschen einen gelungenen Abend bereitet hat und es war auch gut, bewusst Verantwortung übernommen zu haben.

Das Schlossvergnügen

Die dritte Veranstaltung war das Schlossvergnügen, das jedes Jahr am Samstag vor dem ersten Advent im Schloss vor Husum stattfindet. Hierbei handelt es sich um ein eintägiges Event der Stiftung Nordfriesland, zu der auch die Kreismusikschule Nordfriesland zählt. Diese ist am Tag des Schlossvergnügens mit verschiedenen Ensembles aufgetreten und hat so für eine musikalische Untermalung gesorgt. Daneben gab es ein vielseitiges Angebot von Geschenk- sowie Büchertischen, einem Film von dem Projekt „Toms fantastische Reise“ (passend zu dem Theaterauftritt, den ich eingangs erwähnt habe) mit dazu passendem Kreativangebot, einem Café, einem Basteltisch und einem Clown, der später noch als Feuerschlucker auftrat. Dieses breite Angebot lockte viele Familien an und es wurde ein wuseliger Tag im Schloss. An dem Tag selbst war ich für den Basteltisch zuständig und zusammen kreierten wir von Weihnachtssternen über Tannenbäume auch Briefe an den Weihnachtsmann, die die Kinder in einem Briefkasten bei uns werfen konnten. Wir haben diese dann im Nachhinein an eine Stelle geschickt, die den Kindern auch wirklich eine Antwort schreibt.

Ich arbeite sehr gerne mit Kindern und Jugendlichen, weshalb mir das Basteln mit den Kindern sehr viel Spaß gemacht hat. Ich finde es schön, dass sich Kinder immer so gerne unterhalten, mir all ihre Geschichten erzählen und sich schnell für kreative Angebote begeistern lassen. Es war nur ein bisschen schade, dass ich mir gar nicht mehr die anderen Angebote anschauen konnte, weil ich sechs Stunden am Stück den Basteltisch betreut habe. Aber das war auch nicht weiter schlimm, weil mir das wirklich viel Freude bereitet hat.

Was mich auch hier erstaunt hat, war die Vorbereitung für das Schlossvergnügen. Wir haben schon Wochen vorher angefangen, Deko zu kaufen und das Schloss zu dekorieren. Das war aber ziemlich cool, weil wir dann die große Tanne im Eingangsbereich schmücken konnten und auch den Rittersaal. Dabei haben wir Weihnachtsmusik gehört und so kam ich schon einmal gut in Stimmung. Abgesehen davon habe ich mich noch um Plakate gekümmert, die das Programm zeigen und einzelnen Räume ausweisen. Da das Schlossvergnügen ein kostenloses Angebot ist, mussten wir uns immerhin nicht um einen Kartenverkauf im Vorhinein kümmern.

Am Tag der Veranstaltung haben wir uns auch bereits früh getroffen, um letzte Vorbereitungen zu treffen, wie etwa die Lichterketten anschalten oder den Kuchen abzuholen für das Café. Am Ende haben wir natürlich noch alles wieder aufgeräumt, was nach dem langen Tag dann doch etwas anstrengend war.

Doch schließlich ging dieser Tag gelungen zu Ende und es war schön, ein Teil davon zu sein. Ich besitze nun sogar ein tolles Namensschild.

Aktuell stecken wir in der Planung für die „Raritäten der Klaviermusik“. Dies ist ein einwöchiges Festival, bei dem ganz viele unterschiedliche Klavierkünstler*innen aus aller Welt auftreten. Es ist die größte Veranstaltung der Stiftung Nordfriesland, findet dieses Jahr schon zum 39. Mal statt und wird dementsprechend auch schon groß geplant. Hierbei habe ich bis jetzt schon bei den Verträgen geholfen, aber der Großteil der Arbeit kommt erst im Sommer auf uns zu, wenn der Ticketverkauf beginnt.

Der Aussteller, den ich verschönert habe
Der große Tannenbaum im Schloss, den wir geschmückt haben
Der Basteltisch, den ich betreut habe
Der Feuerspucker

Teilnahme an Sitzungen

Neben den Veranstaltungen und dem Kalender ist es auch Teil des Kulturmanagements, an verschiedenen Sitzungen teilzunehmen. So habe ich beispielweise an Sitzungen des Museumsverbundes Nordfriesland teilgenommen, da sie auch das Museum im Schloss betreuen, welches zwar nicht zur Stiftung gehört, aber dennoch mit uns verbunden ist, weil sie öfter Veranstaltungen im Schloss planen, die Räumlichkeiten aber durch uns vermietet werden. So gewinne ich etwas Einblick in die Planung des Museums. Leider bietet das Schlossmuseum aber gar kein FSJ an, sonst hätte ich da vielleicht noch mitarbeiten können. Auch in anderen Sitzungen, wie etwa der Schlossrunde, kommen alle zusammen, die in den Räumlichkeiten des Schlosses untergebracht sind, wie etwa das Schlosscafé, das Pole-Poppenspäler-Museum, die Kreismusikschule und natürlich wir mit der Stiftung. Es wurde begonnen, Kooperationsmöglichkeiten abzuwägen, z.B. ein gemeinsamer historischer Weihnachtsmarkt. Ebenfalls anwesend war ich bei der Sitzung des Haizmann-Kuratoriums, das für das Richard-Haizmann-Museum in Niebüll zuständig ist, dabei habe ich Protokoll geschrieben. Spannend fand ich auch, an der Sitzung des Kreisausschusses für Kultur und Bildung teilzunehmen. Darin berieten Politiker*innen verschiedener Fraktionen über Anträge, die die Kultur- und Bildungsarbeit betreffen.

Der Schlossgarten

Fazit

Insgesamt finde ich den Bereich des Kulturmanagements super spannend, weil ich so einmal von einer anderen Perspektive in kulturelle Angebote schnuppern kann und selbst dabei bin, Veranstaltungen zu organisieren und durchzuführen. Das bereitet mir sehr viel Freude! Außerdem teile ich mir das Büro mit einer sehr lieben Kollegin, die auch im Kulturmanagement arbeitet, wodurch ich gerne ins Büro gehe, weil es mit ihr immer nett ist.

Meine ersten Monate im Kreisarchiv

Ein Aufgabenbereich in meinem FSJ Kultur bei der Stiftung Nordfriesland ist das Kreisarchiv Nordfriesland. Hier arbeite ich einen Tag in der Woche, genauer gesagt am Mittwoch.

Allgemeine Aufgaben

Meine Hauptaufgabe im Archiv ist es, bei der Umbettung und Verzeichnung von Dokumenten zu unterstützen. Nach einer Abgabe von Dokumenten werden diese zunächst im Quarantäneraum gelagert und ggf. tiefgefroren, damit die Papierfischchen absterben. Danach müssen sie umgebettet werden, damit sie richtig verpackt im Archiv eingelagert werden können. Dafür entferne ich alles Metall, wie z.B. Büroklammern, aber auch Gummis oder Klarsichthüllen, und entferne Schmutz von den Materialien. Anschließend hefte ich die Unterlagen in speziellen Bügelheftern ab und lege sie in Schutzumschläge, die wiederum in speziellen Archivkartons verwahrt werden.

Schließlich verzeichne ich als Teil der Erschließung die Abgaben dann noch in unserem System Augias-Archiv 9.2. Dabei werden die Informationen, die in den einzelnen Archivgütern stecken, aufbereitet und zugänglich gemacht.

Daneben darf ich manchmal Recherchearbeit leisten, wenn Anfragen an das Archiv kommen. Viele suchen Sterbe- und Geburtsurkunden, aber manche suchen auch themenbezogen. Ich darf dann in unserem System recherchieren und die jeweiligen Archivalien raussuchen, was Spaß macht. Abgesehen davon darf ich auch Akten aus der Zeit des Nationalsozialismus durchgehen und dabei darauf achten, welche Dokumente für Forschungszwecke relevant sein könnten. Diese Aufgabe birgt eine große Verantwortung und aufgrund meines FSJ-Projektes, das ich im Bereich der Gedenkstätte organisiere, passt diese Tätigkeit auch zu meinem restlichen Aufgabenfeld.

Da im Archiv nun ein neues Hygienekonzept entwickelt wurde, gehört es ab jetzt auch zu meinen Aufgaben, ab und zu die Magazinräume zu saugen. Aber zum Glück nur alle 8 Wochen, das kriege ich noch hin. 😉 Ich muss ja schon in meiner WG jede Woche putzen.

Grundsätzlich finden im Archiv auch ab und zu Führungen statt, jedoch habe ich bis jetzt noch keine begleitet, da ich immer anderweitig eingesetzt war. Aber im März findet eine Führung statt, an der ich vielleicht teilnehmen werde.

An den Besuchstagen kommen Menschen, die gerne im Archiv recherchieren möchten. Da mein Einsatztag im Archiv allerdings kein Besuchstag ist, habe ich diesen Teil der Archivarbeit bis jetzt leider noch nicht mitbekommen.

Die Arbeit im Archiv finde ich grundsätzlich spannend, allerdings ist der Prozess der Bestanderhaltung etwas eintönig, weil ich dann immer wieder den gleichen Handgriff tätige. Außerdem ist es immer recht still im Archiv, was für mich manchmal etwas schwierig ist, da ich lieber mit Menschen im Austausch stehe und mit ihnen gemeinsam arbeite.

Interessanter finde ich jedoch die Verzeichnung, weil ich da oft die Abgaben durchgehe, um zu verzeichnen, was jeweils in dem Archivgut enthalten ist. Das ist teilweise ziemlich spannend, weil ich mich dann in einzelnen Themen verlieren kann, z.B. gab es einmal eine Abgabe zur Havarie des Frachters „Pallas“. Dabei konnte ich dann Lagepläne einsehen und Lageskizzen, was faszinierend für mich war. Auch die Recherchearbeit bereitet mir Freude.

Die Lagerhalle im Archiv
Mein Fahrrad im Büro, weil die Garage repariert wurde

Fachtagungen

Neben dem Alltag im Archiv darf ich regelmäßig an Fachtagungen teilnehmen und so außerhalb des Archives Erfahrungen sammeln. An diesen Tagungen gefällt mir im Allgemeinen, dass ich da mit vielen Menschen im Austausch stehe und fernab vom Alltag im Archiv viele Dinge dazulerne, die noch einmal übergreifender für Archive gelten und nicht auf unser Archiv beschränkt sind.

So konnte ich beispielweise gleich zu Anfang meines FSJs an einer Fachtagung zum Thema „Digitale Datenräume und Archive: Brückenschlag zwischen Vergangenheit und Zukunft“ in Kiel teilnehmen. Anfangs war es etwas erschlagend, weil es so viel Input war, und ich weder im Thema Datenschutz noch im Thema Archiv nach einer Woche Arbeit fit war. Während der gesamten Veranstaltung war ich auch noch dafür verantwortlich, Fotos zu machen, was dann noch einmal mehr zu den vielfältigen Eindrücken dazukam. Ich fand die Tagung aber ziemlich spannend, vor allem habe ich viel über das Archivrecht gelernt und zum Thema Datenschutz. So müssen beispielsweise Personalakten Archiven immer angeboten werden und dürfen nicht einfach vernichtet werden, auch wenn diese sensible Daten enthalten.

Ansonsten habe ich auch noch an der Auftaktveranstaltung „Archive beiderseits der Grenzen“ teilgenommen. Dieses Projekt ist eine deutsch-dänische Kooperation und soll die Zusammenarbeit der Grenzregion Sønderjylland-Schleswig stärken, um mehr über die gemeinsame Vergangenheit herauszufinden. Dafür werden verschiedene Veranstaltungen angeboten, die Bürger*innen das Archivwesen näherbringen sollen. Die Auftaktveranstaltung war sehr schön, sie fand in Haderslev im Museum Sønderjylland Ehlers Lertøjssamling statt. Das Museum ist in einem super schönen Gebäude untergebracht und wir durften uns dieses sogar noch mit einer Führung anschauen.

Im Rahmen dieses Projektes habe ich dieses Jahr auch an einem Vortrag und Workshop zum Thema „Wie (teil-)automatisierte Handschriftenerkennung unseren Zugang zu Quellen verändern kann“ teilgenommen. Wir haben uns mit dem Programm Transkribus befasst, welches schon jetzt alte Schriften teilweise transkribieren kann. Es war interessant, zu sehen, wie die KI die Zeilen transkribieren konnte, die ich teilweise gar nicht lesen kann. Natürlich passieren immer noch viele Fehler, aber ich denke, dass KI auch im Archivwesen eine gute Unterstützung bietet, v.a. in Bezug auf schwer leserliche Handschriften.  

Spannend fand ich auch ein Treffen der Ausbildungsarchive. Dabei ging es darum, wie man junge Menschen motivieren kann, ins Archivwesen einzusteigen. Auch das Thema FSJ spielte dabei eine Rolle, da viele Archive überlegen, ebenfalls FSJ-Stellen anzubieten, um so jungen Menschen die Möglichkeit zu bieten, in die Arbeit hineinzuschnuppern.

Das Museum Sønderjylland Ehlers Lertøjssamling
Das Innere des Museums Sønderjylland Ehlers Lertøjssamling
Das Buffet im Museum Sønderjylland Ehlers Lertøjssamling
Bei der Fachtagung in Kiel
Der Flyer der Tagung in Kiel

Sonstige Projekte

Im Rahmen meines FSJ-Projektes (näheres dazu in meinem Beitrag über meine Arbeit in der Gedenkstätte) habe ich im Archiv die Sterbeurkunden der 297 im KZ Husum-Schwesing umgekommenen Menschen recherchiert, um diese in meinem digitalen Rundgang einzubinden. Dabei bin ich die Sterbebücher der Gemeinde Schwesing, in dessen Bereich das KZ damals lag, durchgegangen und habe mir jede Sterbeurkunde angeschaut, um zu überprüfen, ob diese Person im KZ Husum-Schwesing umgekommen ist. Darüber hinaus habe ich mich mit der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, der KZ-Gedenkstätte Ladelund und der Stadt Wolfsburg in Verbindung gesetzt, da diese ebenfalls Sterbeurkunden von einigen umgekommenen Häftlingen verwahren. Ich finde es sehr eindrucksvoll, mit unterschiedlichen Archiven zusammenzuarbeiten und mir wurde stets äußerst freundlich weitergeholfen.

Aktuell stehe ich auch in Verbindung mit den Nationalarchiven von Polen, Belgien, Dänemark, Italien, Frankreich und den Niederlanden. In der Totenliste der Gedenkstätte Husum-Schwesing sind nämlich einige Namen anders geschrieben als in den Sterbeurkunden. Die Frage ist nun, welche der Schreibweisen korrekt ist, denn es kann sein, dass die Namen in der Sterbeurkunde durch oft mündliche Weitergabe falsch verstanden oder „eingedeutscht“ wurden, wodurch die Sterbeurkunden ebenfalls fehlerhaft sein können. Allerdings wissen wir auch nicht, auf welcher Grundlage die Schreibweise der Namen in unserer Totenliste zustande gekommen ist, weshalb man auf diese ebenfalls nicht vertrauen kann. Daher suche ich jetzt gemeinsam mit den oben genannten Archiven nach den Geburtsurkunden der betreffenden Personen. Diese sollten dementsprechend korrekt sein, da sie im Beisein der Angehörigen und im jeweiligen Land ausgestellt wurden.

Obwohl die Suche nach den Sterbe- sowie Geburtsurkunden teilweise sehr kleinteilig und langatmig ist, macht mir die Recherche extrem viel Spaß. Ich mag es, mich so in der Recherche zu verlieren, dass die Zeit ganz schnell vergeht. Außerdem kann ich auch schon Ergebnisse vorweisen, da ich nun alle Sterbeurkunden der 297 umgekommenen Häftlinge aufgefunden sowie gebündelt habe. Zudem konnte ich noch Informationen in der Totenliste ergänzen, etwa Berufe oder Todesursachen (dabei muss man aber immer vorsichtig sein, da die Nationalsozialisten oft einen Scheingrund als Todesursache angegeben haben, nicht etwa die unmenschlichen Arbeitsbedingungen und Misshandlungen). Auch einen Fehler im Totenbuch von Neuengamme konnte ich ausfindig machen, wodurch ich einen aktiven Beitrag zum öffentlichen Wissensstand geleistet habe, was ich cool finde.

Insgesamt macht mir die Arbeit im Archiv also Spaß, insbesondere die Arbeit an meinem eigenen Projekt. Wenn ich selbst recherchieren kann, dann fühle ich mich wie eine Wissenschaftlerin und es ist schön, konkrete Ergebnisse der ganzen Mühe zu erhalten. Vielleicht werde ich ja doch Historikerin als Plan B. 😉 Die Bestandserhaltung ist nicht ganz so mein Bereich, aber ich finde es dennoch interessant, zu sehen, wie die Abgaben vorbereitet werden, bevor man sie überhaupt im Archiv einlagern kann.

Bericht von der Jugendbegegnung des Deutschen Bundestages anlässlich des 80. Jahrestages der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz

Ich hatte die Möglichkeit, vom 23. bis zum 29. Januar 2025 an der Jugendbegegnung des Deutschen Bundestages anlässlich des 80. Jahrestages der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz teilzunehmen. Über die KZ-Gedenkstätte Husum-Schwesing habe ich mich bei der Bürgerstiftung Schleswig-Holsteinische Gedenkstätten für die Teilnahme an der Jugendbegegnung beworben und durfte so dabei sein.

Donnerstag

Die Begegnung startete am Donnerstag in Berlin. Unsere Gruppe bestand aus mehr als 70 jungen Menschen, fünf Teamer*innen sowie zwei Mitarbeiterinnen des Deutschen Bundestages. Nach einer freundlichen Begrüßung durch den Leiter des Besucherdienstes des Deutschen Bundestages, Heiko Eberle, lernten wir uns zunächst kurz in der Gesamtgruppe kennen. Obwohl ich mir natürlich nicht alle Namen merken konnte, wirkte die Gruppe auf mich dennoch auf Anhieb sehr offen, motiviert und freundlich.

Da die Gruppe für konstruktives Arbeiten nichtsdestotrotz etwas zu groß war, fanden wir uns in fünf Arbeitsgruppen zusammen, die von jeweils einer*m Teamer*in betreut wurden. Auch in diesen komprimierten Konstellationen stellten wir uns erst einmal einander vor, schließlich würden wir auch in den nächsten Tagen in diesen AGs miteinander die Tage reflektieren. Nach einem Abendessen im Paul-Löbe-Haus erhielten wir eine Hausführung durch den Deutschen Bundestag mit dem Themenschwerpunkt „Das Reichstagsgebäude als Ort der Erinnerung“. Ich fand es besonders spannend, die kyrillischen Inschriften, die Soldaten der Roten Armee 1945 im Reichstagsgebäude niedergeschrieben hatten, zu sehen, da ich diese zuvor nicht wahrgenommen habe.

Der Deutsche Bundestag morgens auf der Busreise
Auf dem Dach des Deutschen Bundestages bei der Führung abends

Freitag

Am Freitag ging es früh los, um mit dem Bus nach Oświęcim zu fahren.

Nach einer langen Fahrt erreichten wir am späten Nachmittag die Internationale Jugendbegegnungsstätte in Oświęcim. Dort wurden wir sehr herzlich von der Direktorin des Hauses, Joanna Klęczar-Déodat, sowie dem Vorsitzenden des Auschwitz-Komitees, Christoph Heubner, begrüßt.

Nach einer kurzen Einführung in die Geschichte des IBJS, trafen wir uns in den Arbeitsgruppen, um den Besuch in der Gedenkstätte Auschwitz am nächsten Tag vorzubereiten.

Unsere erste Runde in den AGs

Samstag

Dieser Besuch der Gedenkstätte Auschwitz umfasste dann den gesamten Samstag. Vormittags erhielten wir zunächst eine Führung durch die Gedenkstätte Auschwitz I – Stammlager.

Ich empfand es als sehr bedrückend, über das Gelände zu gehen und dabei die Atmosphäre des Ortes wahrzunehmen. Auch die Ausstellungsräume, in denen Berge von Haaren, Koffern, etc. gezeigt werden, trafen mich sehr, da mir die Masse an ermordeten Menschen da materiell vor Augen geführt wurde, auch wenn dies das gesamte Ausmaß der Nazi-Verbrechen natürlich immer noch nicht wiedergeben kann.

Allerdings halte ich das pädagogische Konzept in der Gedenkstätte Auschwitz für ausbaufähig. In unserer Führung wurde leider nicht thematisiert, dass die meisten Fotos, die in der Ausstellung gezeigt werden, aus der Täterperspektive aufgenommen wurden und somit nur ihre Perspektive dargestellt wird. Ebenfalls unerwähnt blieb die Kontroverse, ob es vertretbar ist, Fotos von Häftlingen, die von dem NS-Regime gequält, getötet und gedemütigt werden, immer wieder zu zeigen, oder ob gerade diese dauerhafte Ausstellung ihres Leidens eine wiederkehrende Demütigung darstellt. Abgesehen davon blieben in unserer Führung einige Aspekte auf der Strecke, wie etwa die Arbeit mit Biographien oder die Erwähnung anderer Opfergruppen neben der der jüdischen Bevölkerung.

Streitbar finde ich auch die generelle Konzeption der Ausstellung in der Gedenkstätte Auschwitz. Viele Gedenkstätten in Deutschland halten sich bei ihrer Bildungsarbeit an den Beutelsbacher Konsens, der u.a. ein Überwältigungsverbot enthält. Die Schockwirkung, die in der Ausstellung in der Gedenkstätte Auschwitz erzeugt wird, fällt für mich hierbei unter Überwältigung, da ich persönlich von der Masse an Leid erschlagen wurde. Natürlich ist es wichtig, dass wir das Ausmaß der NS-Verbrechen begreifen, aber ich halte den Ansatz, einen möglichst großen Schock zu erzeugen, nicht für passend. Ich habe den Eindruck, dass sich Menschen dadurch eher von der Geschichte distanzieren und nicht verstehen, dass diese Verbrechen von Menschen verübt wurden und jederzeit wieder verübt werden könnten. Es sind unfassbare Gräueltaten begangen worden, die für uns heute vielleicht undenkbar erscheinen, aber leider heißt das nicht, dass so etwas nie wieder geschehen könnte. Deswegen muss man Besucher*innen der Gedenkstätte meiner Meinung nach deutlich machen, dass unser Frieden und die Demokratie zerbrechlich ist und wir diese schützen müssen. Dieses Ziel erreicht man meiner Ansicht nach nicht, wenn Menschen so überwältigt sind, dass sie den Bezug zur Gegenwart verlieren und sich nach dem Besuch der Gedenkstätte nie wieder mit dem Thema Nationalsozialismus auseinandersetzen, weil sie denken, dass mit einem Besuch der Gedenkstätte Auschwitz alles getan sei.

Für gelungen halte ich jedoch die neuere Shoa-Ausstellung aus dem Jahr 2013, die in dem roten Backsteinhaus, in dem früher Gefangene untergebracht wurden, zu sehen ist. Die Ausstellung wurde von der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem konzipiert und kontextualisiert die Verbrechen in Auschwitz in Zusammenhang mit der planmäßigen Vernichtungspolitik der Nazis.

In einem der ersten Räume werden Videos gezeigt, die jüdisches Leben vor der Zeit des Nationalsozialismus zeigen. Diese fand ich sehr berührend, weil ich die gesamte Zeit im Hinterkopf hatte, dass die Nationalsozialisten all diese Leben ausgelöscht haben, was so unfassbar schmerzt.

In einem weiteren Raum wurden Videos von Reden Hitlers gezeigt und wie begeisterte Deutsche ihm zujubeln. Diesen Teil der Ausstellung halte ich ebenfalls für sehr wichtig, da er deutlich demonstriert, wie viele Deutsche dem NS-Regime willig und aus freien Stücken gefolgt sind. Ein Hitler allein hätte die gesamten Verbrechen niemals begehen können, aber er hatte Millionen Menschen hinter sich stehen, und dass das den Besucher*innen klargemacht wird, befinde ich für äußerst wichtig.

Besonders bedrückend und emotional berührend war für mich ein Raum, in dem ganz viele Zeichnungen von getöteten Kindern an den Wänden zu sehen sind. Mind. 1,5 Millionen jüdische Kinder wurden von den Nationalsozialisten ermordet. Diese Zeichnungen zu sehen, in denen Kinder auf ihre Weise die Erlebnisse im Konzentrationslager festhalten, war für mich sehr hart.

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Ausstellung ist das Buch der Namen. In diesem sind Namen von 4,3 Millionen Ermordeten niedergeschrieben und allein die Dicke dieses Buches war erschütternd.

Nachmittags wurden wir noch durch die Gedenkstätte II – Birkenau geführt.

Hier erschreckte mich zunächst die Weitläufigkeit des Geländes. Es war ein beklemmendes Gefühl, zu wissen, dass an diesem Ort Millionen Menschen ermordet wurden. Allein die Ausmaße des Geländes zeugten schon davon, wie viele Menschen hier leiden mussten und ihr Leben verloren haben, aber dann auch noch die zerstörten Gaskammern zu sehen, beschäftigte mich schon sehr.

Wir erhielten die Möglichkeit, Rosen am Mahnmal niederzulegen, und auch wenn es nur eine kleine Geste darstellt, fand ich sie dennoch passend.

Abends bekamen wir noch Zeit, in den Kleingruppen den Tag zu reflektieren und über die Erlebnisse zu sprechen. Dieser Austausch war für mich sehr wichtig, da er mir half, das Gesehene und Gehörte zu verarbeiten.

Führung durch die Gedenkstätte Auschwitz I – Stammlager
Das Buch der Namen in der Shoa-Ausstellung
Mahnmal in der Gedenkstätte II – Birkenau

Sonntag

Am Sonntag standen zwei Ausstellungen auf dem Programm.

Gestartet haben wir mit der Besichtigung des Gerhard Richter Ausstellungshauses.

Richter hat vier Fotografien, die 1944 heimlich von Häftlingen des Sonderkommandos aufgenommen wurden, als Grundlage genommen, um sein Werk „Bilder aus Birkenau“ zu entwerfen. Die Fotografien, die Frauen auf dem Weg zur Gaskammer sowie die Verbrennung der Leichen von Jüdinnen und Juden zeigen und als einzige fotografische Dokumente des Holocaust gelten, greift Richter in vier abstrakten, großformatigen Gemälden wieder auf.

Ich finde den Ansatz, Fotografien als Ausgangpunkt von Kunst zu nehmen, spannend und es war interessant, zu sehen, wie jede*r von uns die Gemälde anders wahrnimmt. Abstrakte Kunst regt mich immer zum Nachdenken an und in diesem Kontext halte ich das für sehr sinnvoll.

Manche haben kritisiert, dass Richter mit seinen Gemälden die originalen Fotografien auf eine gewisse Weise verfälsche, jedoch denke ich nicht, dass dies seine Intention ist. Ich glaube vielmehr, dass Richter sich mit seiner Kunst damit auseinandersetzt, wie die Fotografien auf ihn persönlich wirken und diese subjektiven Eindrücke verarbeitet, ohne Anspruch auf Allgemeingültigkeit.

Nach dieser Ausstellung besichtigten wir die Kunstausstellung „Gedächtnisplatten. Labyrinthe“ im Kloster Harmęże. Die Ausstellung zeigt Werke des ehemaligen KZ-Auschwitz-Häftlings Marian Kołodziej und war zutiefst erschreckend. Die Werke werden in einem Kellergewölbe ausgestellt, was eine grundlegend bedrückende Atmosphäre erzeugt. Hinzu kommt die Art und Weise, wie Kołodziej die Schrecken aus dem KZ darstellt. Auf vielen seiner Werke sind nur noch Skelette zu erkennen, die komplett abgemagert sind und den lebendigen Tod darstellen. Hinzu kommt, dass oft Bilder an der Decke befestigt sind, wodurch es so wirkt, als würden all diese halbtoten Menschen auf einen selbst als Besucher*in herabfallen, was ich beängstigend fand. Als besonders bedrückend empfand ich ein Werk, auf dem die ältere Version von Kołodziej die jüngere Version von ihm, die in dem KZ Auschwitz inhaftiert war, auf dem Rücken mit sich trägt. Es zeigt für mich auf eindrückliche Weise, dass er die Erlebnisse aus dem KZ niemals loslassen konnte und sie ihn sein ganzes Leben lang belasteten.

Nach diesen zwei sehr unterschiedlichen Kunstausstellungen hatten wir die Möglichkeit, ein Zeitzeugengespräch mit Eva Szepesi zu führen. Es war für mich das erste Mal, dass ich mit einer Zeitzeugin sprechen durfte und es war dementsprechend wirklich spannend für mich. Szepesi wurde im Konzentrationslager Auschwitz geboren und überlebte gemeinsam mit ihrer Mutter das KZ. Sie erzählte uns, dass Mengele Versuche an ihr durchgeführt habe, sie bis heute jedoch nicht wisse, was genau er mit ihr gemacht habe. Allerdings habe sie ein sehr schlechtes Immunsystem, was sie auch auf ihre Zeit im Konzentrationslager und die Bedingungen, unter denen sie geboren wurde, zurückführt.

Im Anschluss an ihre Erzählung, die mich stark bewegte, durften wir Eva Szepesi Fragen stellen. Dabei wurde deutlich, was für eine große Stütze ihr Ehemann für sie darstellt und dass sie durch ihre Familie Kraft erhält. Zum Schluss forderte sie noch uns als die junge Generation auf, dass so etwas wie der Nationalsozialismus niemals wieder geschehen dürfe.

Geendet hat der Tag nach einer Reflexionsrunde in den Gruppen mit einem Open Space. Dabei haben Teilnehmende der Jugendbegegnung kurze Inputs zu verschiedenen Themen vorbereitet, zu denen wir uns dann in kleinen Gruppen je nach Interesse ausgetauscht haben. Ich war als Erstes in einer Gruppe, die sich mit dem Thema Gedenkkultur auseinandergesetzt hat. Dabei beschäftigte uns vor allem die Frage, wie man Gedenkkultur heutzutage den Anforderungen der Zeit anpassen kann und auch muss, v.a. in Anbetracht der Tatsache, dass immer mehr Zeitzeug*innen versterben.

In der zweiten Runde besuchte ich einen Gesprächskreis zum Thema Sprache und Ideologie. Wir fokussierten uns besonders auf die Rolle von Social Media und gerieten schnell in eine Debatte über das Gendern, aber auch über die Repräsentation von Minderheiten in unserer Gesellschaft. Ich fand die Diskussion sehr anregend, aber in Teilen auch schwierig, da ich manche Positionen überhaupt nicht nachvollziehen konnte.

Gerhard-Richter-Ausstellungshaus
Gerhard-Richter-Ausstellungshaus
Kloster Harmęże
Ein Werk im Kloster Harmęże
Themen des Open Spaces

Montag

Am Montag war auch schon der letzte Tag, den wir in Oświęcim verbracht haben. Der Morgen begann mit einem Gespräch mit der Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages Petra Pau und dem Vorsitzenden des Auschwitz-Komitees Christoph Heubner zum Thema „80 Jahre nach Auschwitz – Erinnerung in schwierigen Zeiten“. Ich habe Frau Pau und Herrn Heubner als sehr aufmerksam uns gegenüber wahrgenommen und es war schön, dass sie auf unsere Fragen so genau eingegangen sind und auf Augenhöhe mit uns sprachen. Frau Pau versicherte uns, dass sie sich weiterhin politisch engagieren werde, auch wenn sie nicht mehr für den Bundestag kandidiere. Herr Heubner ermutigte uns, uns weiter zu engagieren, trotz aller Erschöpfung und Widrigkeiten.

Weiter ging es mit einer Stadtführung durch Oświęcim und einem Besuch des Jüdischen Zentrums. Dieser Programmpunkt war für mich persönlich noch einmal sehr wichtig, da wir so auch die Stadt Oświęcim besucht haben. Ich finde das aus dem Grund so wichtig, als dass die Stadt Oświęcim nicht gleichzusetzen ist mit der KZ-Gedenkstätte Auschwitz. Die Nazis haben mit der Errichtung des Konzentrationslagers nicht „nur“ den Grundstein für die massenhafte Ermordung von Millionen Menscheneine gelegt, sondern auch eine gesamte Stadt zerstört, in der die polnische Bevölkerung gelebt hat. Für mich ist es ein Symbol der Selbstermächtigung, dass in der Stadt Oświęcim jetzt wieder ein Leben wie in jeder anderen Stadt herrscht, da die Nazis nicht auch noch das dauerhaft zerstören konnten.  

Nachmittags haben wir dann noch die Live-Übertragung der Gedenkfeier in der Gedenkstätte Auschwitz angeschaut. Diese war viele andere Programmpunkte höchst emotional. Besonders hängen geblieben ist bei mir der Moment, in dem Überlebende Kerzen niedergelegt haben. Diese Zeremonie hat mich sehr berührt.

Oświęcim
Marktplatz in Oświęcim
Der Fluss Soła in Oświęcim
Das Jüdische Zentrum in Oświęcim

Dienstag

Am Dienstag reisten wir wieder zurück nach Berlin. Nach der Ankunft nahmen wir an der Eröffnung der Ausstellung „Erinnerung an die Befreiung des KZ Auschwitz – Mahnung für die Demokratie“ teil. Die Künstlerin Monika Mendat führte in ihre Werke ein und erklärte ihre Intention, u.a. das Hervorholen der Opfer aus der Anonymität. Die Acrylbilder stellen den Moment der Befreiung dar, widmen sich aber auch der Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus.

Ausstellungsstücke der Künstlerin Monika Mendat

Mittwoch

Der Mittwoch stand ganz im Zeichen der Gedenkstunde im Deutschen Bundestag. Wir bereiteten uns zunächst in den Arbeitsgruppen auf das an die Gedenkstunde folgende Podiumsgespräch vor. Dann ging auch schon die Gedenkstunde im Deutschen Bundestag los. Neben dem Bundespräsidenten Frank Walter-Steinmeier sprach auch Roman Schwarzmann. Er überlebte das Ghetto Berschad in der Ukraine und berichtete in seiner Gedenkrede über die Schrecken in dem Ghetto. Schließlich nahm er auch Bezug zum aktuellen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und versicherte: „Die Ukarine wird alles tun, damit der Krieg nicht zu Euch kommt.“. Ich fand es erschreckend, dass Schwarzmann nun noch einmal einen Krieg durchleben muss, gleichzeitig aber auch beeindruckend, wie er weiter seiner Arbeit als Vorsitzender des regionalen Verbandes Odessa der ehemaligen Ghetto- und Konzentrationslagerhäftling nachgeht.

Nach der Gedenkstunde hatten wir die Möglichkeit, ein Podiumsgespräch mit Roman Schwarzmann sowie Yvonne Magwas, der Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, zu führen. Es wurde teils sehr politisch, da wir Frau Magwas als Mitglied der CDU auch Fragen zum aktuellen Kurs ebendieser Partei unter Merz befragten. Es war ersichtlich, dass sie sich mit vielen aktuellen Herangehensweisen in der CDU schwerzutun scheint, jedoch lobte sie Merz als einen Demokraten, was ich persönlich nicht unterstütze.

Herr Schwarzmann hob mehrmals hervor, wie wichtig es sei, dass wir als junge Generation unser Engagement fortsetzen würden. Seine Persönlichkeit sowie Geschichte berührte mich und ich bin sehr froh, dass ich an diesem Gespräch teilnehmen konnte.

Eingangshalle im Paul-Löbe-Haus
Plenarsaal des Deutschen Bundestages

Fazit

Damit endete die Jugendbegegnung auch schon und ich bin sehr dankbar, dass ich daran teilnehmen durfte. Neben all den inhaltlichen Erkenntnissen, die ich geschildert habe, war für mich auch der Austausch mit den anderen Teilnehmenden relevant und richtig schön. Ich habe so viele tolle Menschen kennengelernt und wir konnten trotz der schweren Themen an den Abenden miteinander lachen und Spaß haben. Mit vielen Teilnehmenden werde ich sicher auch weiterhin Kontakt halten und es ist ein schönes Gefühl, zu wissen, dass es so viele engagierte und empathische junge Menschen gibt, das gibt mir ein Gefühl des Zusammenhaltes und der Sicherheit, dass wir die Zukunft doch noch zu etwas Gutem gestalten können.

Vielen Dank an alle, die diese Jugendbegegnung überhaupt ermöglicht haben!

Ich werde sie in guter Erinnerung behalten. 🙂